“Und was machst du so?” – “Ich bin freie Journalistin” – “Voll toll, dann kannst du bestimmt immer schreiben, worüber du willst.” Köstlicher Scherz. Denn der einzige Ort, an dem ich wirklich so schreiben kann, wie ich will, ist dieser Blog. Journalisten werden jetzt wissen, was ich meine. Und meine freien Kollegen wissen es noch besser. Allen anderen werde ich es erklären.
Ich bekomme einen Auftrag. Ich recherchiere, interviewe Menschen, schreibe einen Text. Nach sorgfältiger Überarbeitung und mehrmaligem Gegenlesen meiner persönlichen Textchefs schicke ich mein Werk an die Redaktion, meistens an den betreuenden Redakteur. Der hat dann ein paar erste Fragen und Änderungswünsche. Dann wird der Text ans Layout angepasst und geht weiter an den Ressortleiter. Der hat dann noch ein paar Fragen und Änderungswünsche. Er arbeitet den Text nach seinen Vorstellungen um. Dann bekommt ihn der Textchef zu lesen. Der hat aber noch ein paar Fragen und Änderungswünsche. Wieder schreibt er den Text nach seinen Vorstellungen um. Erst jetzt bekommt ihn der stellvertretende Chefredakteur zu lesen. Was dann kommt, kann man sich denken. Kurzum: Bis der Text, den ich geschrieben habe, beim Chefredakteur und schließlich in der Druckerei landet, ist er eigentlich nicht mehr mein Text. Sondern das Werk von sechs (!) Leuten. Manche Autoren sprechen von “ihrem Baby”, wenn sie ihren Text meinen. Das habe ich mir ganz schnell abgewöhnt.
Am Anfang meiner Selbstständigkeit konnte ich oft nicht begreifen, warum das so sein muss. Denn häufig war mein Interview/Report/Bericht hinterher schlechter. Zu viele Redakteure gaben ihren Senf dazu – am Ende war der Text irgendwie blutleer und schlichtweg kaputtredigiert. Als fest angestellte Journalistin habe ich es nie erlebt, dass ein Textchef meine Arbeit so detailliert auseinandergenommen hätte. Mir scheint, als gäbe es innerhalb von Redaktionen eine Art Beißhemmung. Handelt es sich aber um das Werk eines freien Kollegen, wird extra streng gewertet. Natürlich nicht immer. Es gibt auch tolle Textchefs, die anrufen und einem Schritt für Schritt erklären, weshalb eine Änderung notwendig ist. Als Autor der Geschichte möchte man zuweilen einfach wissen, wie es dazu kommt, dass der eine besondere Aspekt oder die schöne Formulierung rausgeschmissen werden. Man hängt ja auch an seiner Arbeit, in die man soviel Mühe und – im Idealfall – auch Kreativität gesteckt hat.
Neulich schrieb mir eine befreundete Redakteurin, die mitbekommen hatte, wie ihr Textchef durch meinen Artikel gewütet hatte: “Du nimmst es hoffentlich gelassen und mit einer ordentlichen Portion Selbstironie.” Ehrlich gesagt bleibt mir nichts anderes übrig. Um also darauf zurückzukommen, wie sich Nicht-Journalisten meinen Alltag vorstellen: Ja, ich schreibe eigentlich nur über Themen, die mich interessieren. Aber fast nie so, wie ich gerne würde.
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