Als ich noch angestellte Redakteurin war, fürchtete ich das Freiberuflerdasein wie der Veganer die Fleischtheke. Ich sah mich Spaghetti mit Ketchup essen und meinen Bruder anpumpen, weil ich keine Rechnungen mehr bezahlen kann. Schon verrückt, mit welchen Ängsten man sich belastet – die sich am Ende als völlig unbegründet herausstellen. Heute bin ich seit über zwei Jahren selbstständig. Kein einziges Mal hing ich im Dispo. Und gutes Essen konnte ich mir auch immer erlauben. Wie sich herausstellte, hat man als freie Journalistin ganz andere Sorgen. Ich hätte nie-nie-niemals gedacht, mich jemals einsam zu fühlen. Weil ich schon immer ein kommunikatives und offenes Persönchen war. Aber dann kam die Selbstständigkeit. Und mit ihr die Isolation. Der Fehler war, dass ich – um Geld zu sparen – von Zuhause arbeitete. Das ging genau ein Jahr gut. Erst entspannte mich die Ruhe total. Ich fand es großartig, Texte in einem Rutsch runterschreiben zu können, ohne dass ständig irgendwelche PR-Agenturen anriefen, um mich zu überreden, ein Produkt zu lobpreisen. Ein Jahr lang, in dem ich es genoss, in Bluse oder Schlafanzughose arbeiten zu können. Die totale Freiheit, herrlich. Doch ganz langsam wurde ich unglücklich – und erstmal hatte ich keinen Schimmer, weshalb. Dieses ungute Gefühl war mir völlig neu. Heute weiß ich, was mich belastete: zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich einsam. Mir fehlten Kollegen, mit denen ich mich austauschen konnte (und nicht nur per Mail!). Mir fehlten Meetings, in denen ich meine Ideen präsentieren konnte. Mir fehlte es, dass jemand sauer schaut, weil ich viel zu spät komme. Und mir fehlte es, Teil eines Teams zu sein. Gemeinsam für eine bessere Auflage kämpfen, für eine gute Geschichte, ein brillantes Interview.
Ich recherchierte ein bisschen und fand heraus, dass Vereinsamung das größte (mentale) Risiko ist, mit dem freie Journalisten zu kämpfen haben. Und weshalb viele Gründungen scheitern. Wie soll man auch glücklich werden, wenn man nicht mal vom (erhofften) Auftraggeber Feedback bekommt? Und immer nur mit sich selbst konfrontiert ist, wenn etwas schief läuft. Erschreckend ist, dass nur ein Fünftel aller Freien in Büros organisiert sind. Klar, nicht jeder hat das Glück, ein paar Tage die Woche in einer Redaktion gebucht zu sein. Ich zum Beispiel habe nun nach zwei Jahren zum ersten Mal das Angebot, zwei Tage wöchentlich einen Redaktionsdienst zu machen. Es ist verrückt, wie sehr man sich nach einem sozialen Verbund sehnen kann.
Meine journalistische Heimat ist seit ein paar Monaten zum Glück nicht mehr der Küchentisch, sondern mein Journalistenbüro. Das Leben ist ein völlig anderes, wenn man sich morgens anzieht und die Wohnung verlässt. Wenn man ein Ziel hat, um dann abends wieder nach Hause zu kommen. Ich habe gelernt, dass Einsamkeit und Isolation unglücklich und bitter machen. Und unzufrieden mit sich selbst. Der Austausch mit anderen ist für die meisten Menschen so wichtig wie Essen, Trinken und Schlafen. Deshalb hoffe ich, dass sich noch viel mehr Freiberufler in Bürogemeinschaften organisieren. Wenn wir alle in Jogginghose im Home Office sitzen, sehen wir nicht nur kacke aus. Wir kommen auch nicht auf die besten Ideen. Und werden Monat für Monat trauriger.
Bei mir hat ein kleiner Zufall alles geändert. Ein unscheinbarer Facebook-Post eines Kommilitonen aus Bamberg, mit dem ich bei der Studentenzeitung war. In seinem Journalistenbüro wurde ein Platz frei. Heute empfinde ich es als Luxus, nicht mehr alleine zu arbeiten und mich austauschen zu können. Mich isoliert so schnell nichts mehr.
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