Den meisten Menschen fallen auf die Schnelle nur ihre Schwächen ein. Wir sind einfach nicht darauf gepolt, mit unseren Stärken hausieren zu gehen. Das ist natürlich sehr traurig. Denn es wäre ja viel schlauer zu wissen, was man gut kann und diese Talente auch zu nutzen – anstatt sich darüber aufzuregen, in welchen Bereichen man eine Niete ist. Gerade als Journalist muss man einen Schimmer davon haben, worin man besonders gut ist. Sonst müht man sich am Ende mit Analysen über das Steuersystem ab, obwohl es einem viel mehr liegen würde, für den Kicker zu schreiben. Mein Kumpel Sven Becker (mittlerweile Redakteur beim Spiegel) fragte sich schon früh, wie man es schafft, den Zeitgeist einzufangen, einfach so, indem man über ihn schreibt. Sven wollte in unserer Studentenzeitung immer über Hochschulpolitik schreiben, mir schliefen schon beim Gedanken daran die Füße ein. Für Gefühle im Allgemeinen und Worte darüber im Besonderen gab es bei unserer Studizeitung zwei Experten, Marc Hohrath und mich. Uns ließen sie die Kolumne schreiben, wir machten allerhand Faxen. Also, was Sven früh erkannte, merkte ich dann auch irgendwann: Ich bin gut darin, Gefühle und Stimmungen einzufangen. Liebe, Freundschaft, Trennung, Hoffnung, Selbstzweifel, Leben und Tod. Solche Themen halt. Ob Angela Merkel gerade Zoff mit Obama hat, darüber können gerne die anderen schreiben. Und auch, wie die Aktien von irgendwelchen Riesenunternehmen stehen.
Meine zweite Superkraft ist mein Interesse an Menschen. Ich will wirklich etwas über sie wissen – und da ist es mir egal, ob H.P. Baxxter von Scooter vor mir sitzt oder eine Grundschullehrerin aus Oberbayern. Eine Freundin von mir arbeitet bei der Bunten, sie trifft ständig Prominente. Neulich begegnete sie dem Schauspieler Christian Berkel, den durfte ich vor ein paar Jahren für den Playboy interviewen. Meine Freundin erzählte mir hinterher, dass sich Berkel sofort an mich erinnern konnte und davon schwärmte, dass er tatsächlich das Gefühl gehabt hätte, dass sich da jemand für ihn interessiert und nicht bloß Fragen runterspult. So war es auch. Ich fuhr Christian Berkel von Berlin an die Ostsee (wo das Shooting stattfand) und wieder zurück. Wir saßen insgesamt acht Stunden im Auto, die ganze Zeit lief mein Aufnahmegerät. Ich wollte ihn wirklich kennenlernen, als Mensch und Schauspieler.
Hier sieht man mich beim Ausruhen von der langen Fahrt (mit Keksen). Den Strandkorb haben wir zur Garderobe umfunktioniert.
Das alles klingt jetzt vielleicht angeberisch. Aber ich sagte eingangs ja, dass ich über meine Stärken sprechen möchte. Vielleicht nimmt jeder, der bis hierher mitgelesen hat, diesen Eintrag zum Anlass, über die eigenen Stärken nachzudenken. Man könnte sich auch vor den Spiegel stellen und minutenlang die tollsten Stellen des eigenen Körpers betrachten, anstatt die Problemzonen. Das wäre doch mal ein Anfang.
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