Mit den Protagonisten läuft das bei uns Journalisten so: Wir fragen jemanden für ein Interview oder ein Porträt an. Wir stellen innerhalb von kurzer Zeit eine große Nähe her, um eine Atmosphäre zu schaffen, bei der ein gutes, intensives – im besten Fall außergewöhnliches – Gespräch zu Stande kommt. Sobald der Artikel publiziert ist, verläuft der Kontakt meistens im Sande. Klar, wir können uns nicht mit jedem Interviewpartner anfreunden. Jeder geht also wieder seiner Wege. An den einen oder die andere denke ich natürlich immer wieder zurück. Was wohl aus ihm oder ihr geworden ist?
Und dann gibt es die Protagonisten, die einen nie wieder loslassen.
So einer ist Benni Wollmershäuser. Ich schreibe diese Zeilen, weil Benni letzte Woche verstorben ist – und mich sein Tod ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Und das, obwohl Benni „eigentlich nur“ einer der jungen Menschen war, die ich 2015 für mein Buch „Der Tod kann mich mal!“ porträtiert hatte (es erschien im März 2016). Benni und seine Worte konnte ich nach unseren Gesprächen nicht mehr vergessen. Ich war tief beeindruckt von seiner Haltung dem Leben und dem Tod gegenüber, seiner inneren Stärke, der realistischen Zuversicht – und seinem Humor („Besser ein Beutel am Bauch als ein Zettel am Zeh!“).
Er war gerade 20 Jahre alt, als die Ärzte bei ihm Darmkrebs feststellten (und auch bei seiner Mutter, die wenige Jahre später daran starb). Für ihn war die Diagnose der Startschuss, als Blogger über seine Krankheit aufzuklären. Benni schrieb unter Cancelling Cancer – kein Weg zu weit und ließ keinen Aspekt weg: Stoma, Impotenz, Langeweile im Krankenhaus. Benni erzählte authentisch von seinem Leben als „Krebsi“. Auch, dass es für ihn keine Heilung gibt. In „Der Tod kann mich mal!“ sagte Benni: „Ich werde den Krebs nicht mehr los – ich liebe mein Leben trotzdem.“
Benni hatte eine Art, die mich als Journalistin und Mensch sehr berührte. Er war humorvoll, feingeistig, bescheiden und klug. Als er zusammen mit seiner bezaubernden Frau Sabrina zu meiner Buchpremiere extra für einen einzigen Abend von Schwäbisch Hall nach München reiste, war ich schwer beeindruckt. Benni und ich durften auch gemeinsam bei der legendären SWR1-Leute-Talkshow teilnehmen. Und Benni besuchte mich in Berlin, als ich gerade Mama einer Tochter geworden war. Der Anlass war ein schöner: Die Felix Burda Stiftung verlieh Benni den allerersten „Ehrenfelix“ – für sein Engagement und die Aufklärungsarbeit, die er leistete. Letztes Jahr waren wir gemeinsam mit Maxi Sophie Heinrich – auch eine Protagonistin meines Buches – auf dem Felix-Burda-Award im Hotel Adlon. In großer Robe. Wir machten Selfies auf dem Roten Teppich. Benni hatte blendende Laune, was mich sehr glücklich machte. Genau so werde ich ihn in Erinnerung behalten. Es war das letzte Mal, dass ich ihn traf.
Es sind Begegnungen und Gespräche mit Menschen wie Benni, die meinem Beruf so viel Tiefe und Bedeutung geben. Benni hat für mich bis heute eine absolute Vorbildfunktion und er hat meine Art, auf das Leben zu blicken, verändert. In Gesprächen stellte Benni seinen Krebs nie in den Vordergrund. Trotzdem antwortete er völlig ohne Scham, wenn ich ihn etwas fragte. Er nahm die kleinen Alltagssorgen von anderen Leuten ernst, obwohl er ja viel größere Sorgen und Ängste hatte. Und ja, er konnte sich am Leben so richtig doll freuen! Die Hochzeitsreise von Sabrina und Benni war auf einem Kreuzfahrtschiff und ich erinnere mich so gerne daran, wie sehr sie sich darüber freuten, das gemeinsam erlebt zu haben.
Bennis Kapitel in „Der Tod kann mich mal!“ schließt mit „Es gibt bei Krebs nicht nur Schwarz oder Weiß, also todkrank oder geheilt. Da gibt es ganz viel dazwischen. Und geheilt heißt noch lange nicht gesund. Ich bin zwar relativ fit, aber nicht geheilt. Man kann nicht sagen, wie lange das noch so läuft. Aber in der Zwischenzeit werde ich garantiert nicht rumsitzen und Däumchen drehen. Ich nutze jeden Tag, den ich habe. Und jetzt wird ohnehin erst einmal geheiratet. Denn das Leben ist schön, die Liebe ist schön, Freundschaften sind schön. Das muss man sich immer wieder klarmachen. Und dann macht der Gedanke vielleicht auch gar nicht mehr so viel aus, dass ich wahrscheinlich nicht 95 Jahre alt werde.“
Benni starb vergangene Woche mit 29 Jahren. Er lebte verdammte neun Jahre mit Darmkrebs und mit der fiesen Ansage des Schicksals, dass es innerhalb kürzester Zeit vorbei sein könnte. Er hat allen gezeigt: Mit der richtigen Einstellung kannst du auch mit Darmkrebs ein gutes Leben führen. Nicht an allen Tagen, aber häufig. Die Einstellung zum Leben und zum Glück passiert in unserem Kopf. Es ist eine Frage von Haltung, wie wir uns fühlen.
Das letzte Wort für diesen Beitrag überlasse ich Benni. Er hat es mal wieder auf den Punkt gebracht. Von seinen über 44.000 Fans auf Facebook verabschiedete sich Benni letzte Woche so (Achtung, Gänsehaut!):
„OK das ist er jetzt… Der Abschiedspost. Es geht jetzt doch schneller als gedacht, was aber nicht schlimm ist. Hab viel Flüssigkeit und Blut verloren. Wir machen jetzt nix mehr, nur Flüssigkeit. Ich hab zum Glück keine Übelkeit und Schmerzen. Und wenn doch, bekommen wir die unter Kontrolle. Es ist alles gut, es ist okay. Es ist alles besprochen. 9 Jahre sind mehr als alle erwartet hätten…
Es ist schwer Worte zu finden.
Danke für jedes aufbauende Wort und für jedes Kommentar oder Nachricht. Danke, dass ihr mir Kraft und ein bisschen Sinn im Leben gegeben habt. Danke für Alles.
Achtet auf euren Körper und hört auf Warnsignale.
Aber vor allem: Genießt das Leben, denn es ist schön!
Und denkt vielleicht an und zu an mich.“